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Tag 5: Eureka – Polebridge, 29.6.2023

Nach dem obligaten Morgeneinkauf und einem Frühstück aus der Tankstelle geht es erst gegen 10 Uhr los. Der Tag könnte amerikanischer nicht beginnen, denn noch bevor wir das Dorf verlassen haben, segelt ein Weisskopf-Seeadler über uns hinweg. Hoffentlich ein gutes Omen. Auf der Strasse beginnt die heutige Etappe mit viel Asphalt, erst im Hinterland Montanas um den Highway zu umfahren und als wir diesen überquert haben, auch bis etwa drei Viertel die Passhöhe hoch. Doch ich greife vor. Wir beginnen die Fahrt zur Whitefish Divide am Vormittag und kommen trotz einsetzender Hitze gut voran. Der eben erwähnte Asphalt hilft dabei. Nach ein paar Kilometern finde ich mein, nunmehr ominöses, Strassenschild wieder. Vor 10 Jahren, als ich erstmals die Great Divide in Angriff nahm, habe ich hier kehrt gemacht und auf die Rückseite mein Aufgeben verewigt. Mit dem Versprechen, dass ich zurückkommen werde. Drei Jahre später kam ich zurück und habe mich wieder verewigt und heute, nochmals 7 Jahre später ein drittes Mal. Obwohl die beiden anderen Inschriften verblasst sind, habe ich hingeschrieben «and I came back, again!». Einst eine Botschaft des Scheiterns, ist das Schild mittlerweile ein zweifacher Beweis, dass es geht. Dass Aufgeben nichts schlechtes ist und dass man stärker zurückkommen kann. Das Schild gibt mir Motivation und ich fahre schon fast effortlos dem Gipfel entgegen. Patrik machen die Hitze und die Höhenmeter noch etwas mehr zu schaffen, doch der Wille ist da und er tritt sein Tempo konstant weiter. Machmal an meinen Versen, manchmal etwas weiter zurück. Kurz bevor der Asphalt endet, treffen wir auf Ron und Stan, beide aus Oregon, aber nicht zusammen unterwegs. Ein zufälliges Treffen von vier Radfahrern in den Bergen Montanas. Wir unterhalten uns kurz und ziehen weiter. Ron ist super schwer bepackt und fällt schnell zurück und Stan macht kurze Zeit später auch kehrt – seine Frau begleitet ihn mit dem Camper und schafft den Schotter, der noch kommt nicht, also kehrt er um zum letzten Camping zurück. Also sind wir wieder zu Zweit unterwegs und nach ein paar weiteren Kurven gilt es ernst. Die Strasse biegt in Richtung Passhöhe ab und ändert schlagartig den Untergrund. Loses Geröll zieht nun unter den Rädern durch und nimmt nochmals etwas Tempo aus unserer Fahrt raus. Zudem hat die Sonne nun beinahe den Zenit erreicht und das Thermometer geht auf über 30C rauf. Das Fahren erfordert zudem viel Konzentration, geht aber für mich zügig voran. Ich bin wirklich erstaunt, wie gut es mir läuft. Bis zur Passhöhe habe ich noch immer Reserven und bin nicht am Limit. Patrik hingegen hätte eine Stärkungspause mehr gebraucht, was ihn grumpy macht. Ich versichere ihm, dass dies am Anfang der Tour dazu gehört und die erste Woche Training sei für den Rest der Reise. Denn was die Natur angeht, komme ich kaum aus dem Schwärmen raus. Bergbäche, Nadelwälder soweit das Auge reicht und hunderte Schmetterlinge, die auf der Strasse sitzen und wegfliegen sobald man näher kommt. Eine Pracht dieser Tag. Die Abfahrt vom Gipfel geht für die ersten sieben Kilometer wegen dem schottrigen Untergrund weniger zügig als erwartet und stellt unsere Räder abermals auf eine Durchhalteprobe. Doch auch dies stecken die RAW weg und überzeugen einmal mehr. Beim Tachuck Campground gibt es dann endlich eine wohlverdiente Zwischenverpflegung. Die Sandwich von heute Morgen haben wir ja nicht vergeben mitgeschleppt. Da wir beide mit unseren vier Liter Wasserreserven schon am Ende sind, kommt der Steripen zum Einsatz. Bergwasser in die Flaschen, 90 Sekunden UV-Bestrahlung durch den Steripen und 99,9% aller Schadstoffe sind neutralisiert. Weg ist ebenfalls der gesamte Bach, als wir auf der Weiterfahrt gestärkt durch ein ehemaliges Waldbrandgebiet fahren. Auf der gesamten Länge des Brandes (der sicher über 7 Jahre her ist), ist das Flussbett staubtrocken, kaum wieder in den Wald eingefahren, rauscht der Fluss wieder reissend wie zuvor. Die folgenden 40km gehen schnell vonstatten, denn es geht nun konstant etwas bergab und die Strasse ist um einiges besser zu befahren als noch im Bereich des Passes. Wir haben uns heute dazu entschieden, neun Kilometer von der Divide-Strecke abzuweichen und nach Polebridge zu fahren. Das kleine Dorf im Nichts zählt ganze 14 Einwohner:innen und besteht primär aus einem Laden. Der hat es jedoch in sich. Seit 1914 existiert das Geschäft rund sechs Kilometer vor den Toren des Glacier Nationalparks und hat sich in dieser Zeit einen (welt-)berühmten Ruf erworben. Heute ist es ein waschechter Krämerladen mit allem was das Wanderer-/Outdoorherz begehrt, einer Bäckerei, die weit mehr als für 14 Menschen backt und daneben werden nun auch Cabins und ein Saloon betrieben. Wir geniessen den wundervollen Ort in vollen Zügen und sind froh die Entscheidung getroffen zu haben den Umweg zu machen.

91,9km / 5h 36min / 1107 Höhenmeter
Total: 412,5km / 25h 41min / 3949 Höhenmeter

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