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Tag 31: Del Norte – Platoro, 25.7.2023

Obwohl heute mein Geburtstag ist, stellen wir den Wecker auf 06:20 Uhr, denn heute ist der grosse Tag gekommen. Nicht mein grosser Tag mit 35, sondern der höchste Pass der Tour. Der Indiana Pass auf 3652 Meter über Meer liegt vor uns. Daher verzichte ich auf das Geburtstags-Ausschlafen und wir beginnen früh mit packen. Allerdings es sich verlängert mit der ersten Flut an Geburtstagsnachrichten etwas. Um Punkt acht Uhr haben wir den Bäckerei- und Tankstellen-Stop hinter uns und machen uns auf ins Hinterland. Die ersten 19km noch auf Asphalt und mit kaum Höhenmeter, diese beginnen erst mit dem Wechsel auf Schotter. Und dafür gleich so richtig. Denn auf den nächsten 19 Kilometern geht es ohne Unterbrechung rund 1000 Höhenmeter rauf. Eine frische Brise und vereinzelte Wolken, lassen das Ganze angenehmer wirken als an anderen Tagen dieser Tour. Wir haben heute aber auch alle Register gezogen: 5-Hour-Energy-Shot, Elektrolyte-Drink im Schnellzugriff (dafür musste der Bärenspray auf den Gepäckträger weichen) und fix eingeplante Snack-Pausen zu jeder gefahrenen Stunde. So arbeiten wir uns Meter für Meter hoch und überschreiten bald die 3000 M.ü.M. Grenze und damit auch landschaftlich ein Wechsel von Birken- zu Nadelwälder und hochalpiner Landschaft. Ich kann mich an all der Schönheit kaum sattsehen und bin konstant am grinsen. Patrik andererseits beginnt irgendwann die Höhe zu spüren. Erst mit Kurzatmigkeit und Kopfschmerzen und je höher wir kommen mit grossen Leistungseinbrüchen. Während ich munter voranfahre und von Zeit zu Zeit stoppe und warte, kämpft Patrik mit jedem Meter. Mal schiebend, mal fahrend erreicht aber auch er den Gipfel knapp über der Baumgrenze. Wo kann man schon mit dem Fahrrad auf über 3600 Meter über Meer rumfahren? Wir wollen eigentlich auf der Passhöhe den Lunchbreak machen, doch Patrik fällt völlig von der Rolle. Die Kurzatmigkeit geht ins Hyperventilieren über und er bricht beinahe zusammen. Für das Gipfelfoto noch kurz alle Kräfte mobilisieren und dann den Mittagshalt 200 Höhenmeter tiefer nochmals versuchen. Hier klappt es und die Lebensgeister kommen auch zurück. Rund um uns herum endlose Nadelwälder und weite Täler – der perfekte Platz für unser Sandwich-Stop. Danach dränge ich auf die Weiterfahrt, denn wir müssen vor 18 Uhr in Platoro sein, sonst gibt es weder eine Unterkunft noch eine warme Verpflegung. Daher entscheiden wir uns kurz nach Summitville unser Duo für heute aufzusplitten, damit ich vorfahren kann um vor der Deadline am Tagesziel alles zu erledigen. Vorher bietet uns ein vorbeifahrendes Auto aber noch etwas Wasser an, denn hier oben sind alle Bäche verseucht. Summitville ist eine Goldgräber-Geisterstadt, was die verfallenen Gebäude und der halb abgetragene Berg beweisen. Was die giftigen Bäche aber noch nicht erklärt. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurde nämlich Gold und Metalle mithilfe von Cyanid aus dem Boden gewaschen und nach dem Bankrott der Firma in den 90er Jahren, lief hochgradig säurehaltiges Wasser in die Bäche und Flüsse der angrenzenden Täler. Die US-Regierung hat seither 155 Millionen Dollar ausgegeben um die Superfund Site zu reinigen. Doch zurück zu unserer Fahrt. Im Tal bei Summitville nimmt der Wind gerade stark zu und ich kämpfe, nun alleine fahrend, gegen die Böen an. Am Ende des Tals kommt mir in den Sinn, dass der SPOT-Tracker, den ich Patrik für den Notfall gegeben habe, nicht auf Tracking steht. Also schreibe ich ihm einen Zettel und klemme ihn mitten auf der Strasse unter einen Stein. Hoffentlich sieht er die Botschaft – dann kann ich von Platoro aus nämlich verfolgen wo er steckt. Ich fahre weiter und bestaune einmal mehr die Schönheit der Natur. Die Täler, die Aussicht und das Bergpanorama rund um mich herum verleiten mich zu unzähligen Fotostops und Drohnenflügen. Unterwegs gebe ich einem der vielen ATVs eine aufmunternde Botschaft für Patrik mit. Für mich beginnt nämlich gerade der 15km Downhill zum Alamosa River. Die länger werdenden Schatten machen es schwierig die Strassenbeschaffenheit einzuschätzen und ich werde regelrecht durchgeschüttelt. Immer noch mit etlichen Stopf für Fotos geht es holprig bergab. Vorbei am rot leuchtenden Lookout Mountain und zwei Bergseen bis ins Tal. Leider aber noch ins falsche Tal, denn Platoro liegt eine Bergkette südlich von hier. Namentlich liegt der Stunner Pass dazwischen – ein weiterer 3000er. Auf Teils miserabler Strecke geht es zum Tagesabschluss nochmals 300 Höhenmeter hoch und ich pushe auf der Strecke fast ans Limit. Irgend ein Bauchgefühl sagt mir, dass ich Patriks Standort checken muss und ich ihn mit einem Pickup abholen muss. Ich überlege mir schon die Worte in der Lodge um an ein Auto zu kommen. Mit deutlich weniger Freude als noch am Indiana Pass kämpfe ich den Stunner Pass hoch und versuche mich zu beeilen. Ich halte kurz ein überholendes Auto an und frage nach einem anderen Fahrradfahrer hinter mir. Ja, da sei einer etwa einen Viertel die Strasse hoch und am Schieben. Patrik geht es also gut, ich atme auf und fahre entspannter dem Tagesziel entgegen. Platoro kommt in Sicht und kurze Zeit später biege ich um 17.20 Uhr vor dem Café und der Lodge ab. Ich erledige das Check-In und die Essensbestellung bevor um Punkt 18 Uhr ein munterer Patrik einfährt. Wir setzen uns bis fast Sonnenuntergang auf die Terrasse, geniessen den Burger, lassen den Geburtstag ausklingen und sind uns einig, dass dies trotz der Anstrengung einer der schönsten Tage der Tour war. Danach ziehen wir uns in unseren Airstream zurück und fallen bald müde ins Bett.

77,8km / 6h 14 min / 1744 Höhenmeter

Total: 2434,8km / 139h 36min / 24’352 Höhenmeter

 

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