Tag 3: Elkford – Fernie, 27.6.2023
Ein weiterer Campingplatz-Morgen steht an, noch kann nicht von einer Routine gesprochen werden, aber die Handgriffe sitzen schon besser. Nach dem Packen noch eine kurze Dusche fürs Velo um den Staub des Vortags abzuwaschen und dann kann es losgehen mit dem Ziel Bäckerei oder Supermarkt. Ersteres finden wir im Dörfchen nicht und letzteres macht erst um 10 Uhr auf. So wird es eben ein Tankstellenfrühstück. Eine gute Wahl, denn wir treffen vor dem Shop erneut auf einen der Davids vom Vortag und plaudern nochmals kurz. Seine beiden Kollegen haben die «härtere» Rennroute den Koko Claim hoch gewählt, er hingegen wolle sich heute mit der Fahrt auf dem Highway erholen. Wir hingegen planen die Fahrt auf dem Elk Valley Trail, wie von der Adventure Cycling Association vorgeschlagen. Einen Vorschlag, den wir keine Sekunde bereuen! Denn ab den ersten Metern entpuppt sich der Weg als epischen SIngletrail. Auf geschwungenen Pfaden geht es enge Kurven zwischen Bäumen über Stock und Stein und die Fahr fühlt sich teilweise wie eine Downhill-Strecke an. Das Auf und Ab durch den verschworenen Wald wird ab und zu unterbrochen von gelb und weiss blühenden Blumenwiesen und wundervollen Aussichten aufs Elk Valley. Irgendwo in der Wildniss unterbricht ein kurzer Mechanik-Stop an meinen Klickpedalen den Flow und als es weitergeht verpassen wir just eine Abzweigung. Wir navigieren ja immer noch nach dünnen Linien auf einer Papierkarte und nach Merkmalen der Landschaft. Die Intuition lässt mich falsch abbiegen und wir enden auf einer Forststrasse. Diese ist nicht minder eindrücklich und verläuft parallel zur Originalroute, welche irgendwo 100m weiter westlich durchs Unterholz führen würde. Kurze Zeit später öffnet sich der Nadelwald in eine weite, abgeholzte Ebene und kahlgeschorene Berghänge zeigen sich. Die Überreste der Forstwirtschaft liegen in hohen Ast- und Wurzelhaufen links und rechts der Strecke. Der typische Duft von geschnittenem Holz liegt in der Luft und wird nur kurz durch eine Schwefelquelle stinkig unterbrochen. Nach einem guten Stück auf dieser Strasse stossen wir zurück auf den Highway welchem wir für etwa drei Kilometer folgen. Das Gastspiel ist aber nur ein kurzes bevor wir auf eine asphaltierte Nebenstrasse abbiegen und durch spärlich bewohntes Gebiet Sparwood entgegen fahren. Auf dem Asphalt machen wir schnell Boden gut und nutzen den strahlend schönen Morgen um den km/h-Schnitt aufzubessern. Kurz vor der Stadt treffen wir erneut auf David und quatschen wieder kurz. Er versucht sich noch an einem Trailstück während wir das letzte Stück Highway in die Stadt nehmen. Noch vor dem Mittagshalt fahren wir zum obligaten Foto vor dem Titan-Kohle-Truck. Die Monstrosität mit 350 Tonnen Fassungsvermögen habe ich bereits auf meinen beiden vorderen Reisen, die mich durch Sparwood geführt haben, besucht und das Foto darf nicht fehlen. Kurz darauf stehen wir im Subway in der Schlange und wer gesellt sich zu uns? Schon wieder David. Aller guten Dinge sind Drei und wir beschliessen gemeinsam Mittag zu essen. Er lädt uns sogar ein und während dem Footlong tauschen wir Geschichten über unser Leben aus. Seine Arbeit auf Ölbohrinseln vor Brasilien und meine vergangenen Fahrradreisen sind nur ein paar der Themen die aufkommen. Da die Zeitrechnung gerade super aufgeht und wir WLAN haben, telefoniere ich noch kurz nach Hause. Bei immer noch strahlendem Sonnenschein und 27C fahren wir nach dem langen Mittagshalt wieder aus der Bergbaustadt raus. David nach wie vor auf dem Highway, wir erneut auf dem Elk Valley Trail. Der war am Morgen so schön, den wollen wir nicht missen. Die ersten paar Kilometer versprechen wieder was wir ein paar Stunden zuvor schon erlebt haben. Die herausfordernden Singletrails sind für unsere Räder trotz Bepackung und Gewicht kein Problem. Die beiden MTB Cycletech stecken alle Schläge, die Wurzeln, die engen Kurven und die steilen Aufstiege einfach weg. Richtige All-Terrain-Bikes eben. Im vollen Elan plötzlich ein paar Tropfen Regen – kurze Besprechung, brauchen wir die Regenjacke? Ne, ist so heiss, die brauchts nicht. Zehn Minuten später stehen wir geduckt unter einer Tanne. Aus den paar Tropfen ist ein sinnflutartiger Regen geworden und nochmals zwei Minuten später setzt noch der Hagel ein. Aus dem Singletrail wird ein Bach und der eben überquerte Waldweg wird ein Schlammbad. Wir werfen uns in die volle Regenmontur und entscheiden uns irgendwie den Weg zurück auf den Highway zu suchen. Der Singletrail mit all den Wurzeln, Steinen und technischen Passagen wäre in dem Zustand schlicht ein zu grosses Risiko. Auf dem schlammigen Waldweg fahren wir Pfützen ausweichend zurück zur Schnellstrasse. Allen können wir aber nicht ausweichen und schon bald sind wir von Kopf bis Fuss schmutzig und nass. Zurück auf dem Highway wird es nicht besser, denn auf den letzten 30km bis Fernie werden wir von oben, unten und mit jedem vorbeifahrenden Auto auch von der Seite nassgespritzt. Dafür fahren wir einen Temposchnitt von fast 30km/h und erreichen gegen 16 Uhr tropfnass die Zieldestination. Irgendwann ist die Nässe einfach egal und ehrlich gesagt geniesse ich die Misere gar etwas. Es ist wie als Kind im Regen zu spielen und absichtlich in eine Pfütze zu hüpfen. Das weckt irgendwo tief drinnen Erinnerungen. Zum Glück haben wir bereits am Vorabend ein Motelzimmer reserviert und sowohl duschen, trocknen, Wäsche waschen und vor allem ein wohlverdientes Bier trinken darf jetzt nicht fehlen. Den Rest des Tages, der durch einen stadtweiten Stromausfall unterbrochen wird, nutzen wir für ein weiteres ausgiebiges Nachtessen, etwas Internetrecherche und schon fast Entspannung.
70km / 3h52min / 503 Höhenmeter
Total: 239,4km / 16h39min / 2495 Höhenmeter