Tag 2: Kananaskis Lake – Elkford, 26.6.2023
Nach einer kalten Nacht im Zelt mit viel Rumgewälze, läutet um 7.30 Uhr der Wecker. Die erste Zelt-Morgen-Routine der Tour steht an. Zeltinhalt auf den Campingtisch rüber, Schlafmatte flachdrücken und verpacken, Schlafsack zurück in die Tasche und dann das Zelt abbauen. Nach dieser ersten erfolgreichen Tat, holen wir die Essenssachen zurück aus der Bärenbox und geniessen ein sehr improvisiertes Frühstück. Vollkorntortillas mit Honig, Schinken und Chips. Danach noch die letzten Handgriffe am Gepäck und los gehts. Der Morgen beginnt mit knapp zehn Kilometern auf einem Fahrradweg, der die einzelnen Campgrounds entlang des Kananaskis Lake verbindet. Rollend geht es durch Nadelwälder und morgendliche Kühle hoch und runter – und plötzlich die Demotivation pur. Das Knarzen und Knacken in meiner Pinion-Schaltung ist zurück. Genau wie zwei Monate zuvor als der Fahrradmechaniker die halbe Box demontieren musste. Ich stelle mir schon vor mich die nächsten sechs Wochen täglich zu nerven. Doch glücklicherweise ist die Bolton Creek Trading Post am Ende des Fahrradweges so gut ausgestattet, dass sie WD40 verkaufen. Dazu gibt es noch eine Ration Wasser und es kann wieder losgehen. Mit frisch gefetteter und weniger quietschender Schaltung geht es für drei Kilometer auf die Hauptstrasse bevor wir auf den schottrigen Weg dem Elk Pass entgegen fahren. Oder teils auch schieben – denn bis zur Zwischenhöhe wird es so steinig und steil, dass wir lieber aus dem Sattel steigen als umzufallen. Einmal ganz oben angekommen, überqueren wir nicht nur zum ersten Mal die Continental Divide, sondern auch gleich noch die Alberta-British-Columbia-Grenze. Nach dem gemächlichen Aufstieg unter einer Hochspannungsleitung und über grüne Wiesen folgt eine rasante Abfahrt ins Tal auf der anderen Seite.Technik und Mensch werden definitiv herausgefordert und auf die Probe gestellt. Mit viel Schwung geht es über Stock und Stein runter ins Elk Valley. Jenes Tal, welches wir flankiert von den hohen Gipfeln der Rocky Mountains bis zum Ende des Tages folgen. Das Equipment hat die Prügel überstanden und das Bike hat jedes Schlagloch, jeden fehlplatzierten Stein und jede überfahrene Furche problemlos weggesteckt. Das RAW macht seinem Namen alle Ehre. Wir halten kurz für eine Drohnenaufnahme und machen uns auf die letzten 50 Kilometer des heutigen Tages. Nach etwa zehn Minuten treffen wir auf das Kanadische Trio David, David und Greg. Die drei älteren Herren fahren eine Tour durch British Columbia und sind gut bepackt unterwegs. Wir unterhalten uns kurz mit den drei Freunden und zollen ihnen unseren Respekt – wenn wir in dem Alter auch noch so fit unterwegs sind, haben wir viel richtig gemacht. Da wir aber doch etwas schneller unterwegs sind, verabschieden wir uns und ziehen weiter. Einzig David, der vor ein paar Jahren schon mal das Tour Divide Rennen gefahren ist, bleibt uns auf den Fersen und erst beim Mittagshalt am Elk River zieht er uns davon. Malerisch gelegen verpflegen wir uns mit einer Stärkung, denn auf den letzten Kilometern machte sich die Tour-Start-Müdigkeit bemerkbar. Bei Patrik mit kleinen Blessuren, Rückenschmerzen und Energielöchern und auch ich bin gegen Ende des Tages nicht mehr ganz so spritzig unterwegs. Aber mit der Devise «Slow and steady wins the race» erreichen wir gegen 17 Uhr unser Ziel in Elkford. Jetzt in ein gemachtes Bett liegen und ausgiebig Nachtessen. Das wärs! Erfüllt wird uns nur der zweite Wunsch, denn die beiden Motel in der Ortschaft sind ausgebucht und so bleibt uns «nur» der Campingplatz. Dafür einer mit Dusche und einem normalen WC – es braucht gar nicht viel um happy zu sein. Das ausgiebig Essen erledigen wir aber mit Bravur. Burger, Pommes, ein Bier und WLAN, was wollen wir denn noch mehr? Der Tag heute war abermals in zwei Teile geteilt – ein schöner, eindrücklicher Start durch wunderbare Natur, gefolgt von Pflichtkilometern über endlose Schotterstrassen mit wenig Aussicht. Auch das gehört dazu.
87,6km / 5h11min / 907 Höhenmeter
Total: 169,4km / 10h47min / 1992 Höhenmeter